Ratgeber

Kunst am Bau

Kunst am Bau versteht sich als eine künstlerische Arbeit im Bereich der Bautätigkeiten, die einen unmittelbaren Bezug zur Öffentlichkeit herstellt. Aufgabe für den/die Künstler/in ist es in diesem Sinne, kreativ am Schaffungsprozess eines Gebäudes mitzuwirken und sich mit den gegebenen Voraussetzungen des Baus – Ort, Raum, Inhalt und Funktion – auseinandersetzen, um den Bau in der Öffentlichkeit zu inszenieren und mit Bedeutung aufzuladen.

Dabei fördert die künstlerische Aufwertung eines Baus Akzeptanz für und Identifikation mit der hinter dem Gebäude stehenden Instanz und stellt aktiv einen Bezug zum Rezipienten dar, indem es diesen anspricht und einbezieht. Kunst am Bau ermöglicht eine vielschichtige Interaktion zwischen der repräsentierten Instanz in Form eines Gebäudes und der Öffentlichkeit, indem Kunst für jedermann zugänglich gemacht wird. Sie stellt für Künstler eine besondere Herausforderung dar, da die Verknüpfung zwischen Bauwerk, Baugrundstück und entstehender Kunst ein Spannungsfeld entfaltet, das eine Vielzahl an Möglichkeiten bietet, einen kulturellen Mehrwert schafft und das Erscheinungsbild der Stadt maßgeblich aufwertet. Kennzeichnend für die Kunst am Bau ist eine dauerhafte Verankerung des Kunstwerks im Inneren oder Äußeren des jeweiligen Bauwerkes. Darüber hinaus kann die Kunst im öffentlichen Raum in Umfeld des betreffenden Bauwerkes angesiedelt sein.

Kunst am Bau bezeichnet andererseits auch eine Verpflichtung des Bauherren, insbesondere in Form des Staates, einen Teil der Baukosten für die Finanzierung öffentlich zugänglicher Kunstwerke am Bau bereitzustellen – dieser beträgt etwa Anteil 1%. Diese Verpflichtung ist durch die Bundesregierung über eine Regelung festgeschrieben. Als Richtlinie und Orientierungshilfe existiert seit 2006 für Bauherren ein Leitfaden des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Die im Rahmen von Kunst am Bau realisierten Projekte werden über Wettbewerbe ausgeschrieben und den entsprechenden Künstlern zugeteilt. Die Regelung zeigt auf, welcher hohe Stellenwert und welche Bedeutung öffentlicher Kulturpflege zugeschrieben wird.

Historisch betrachtet, existiert die Initiative, Kunst am Bau zu etablieren, bereits seit dem 11. August 1919 in Form des Artikels 142 der Weimarer Reichsverfassung, der besagt, dass „Kunst, Wissenschaft und Lehre [sind] frei sind. Der Staat gewährt ihnen Schutz und nimmt an ihrer Pflege teil.“ Dieser Artikel rekurriert auf die prekäre wirtschaftliche Lage der Künstler nach dem Ersten Weltkrieg und regelt die Beteiligung von Künstlern an Bauwerken. Aus dem Erlass vom 28. Februar 1928 geht die Notwendigkeit hervor, für bildende Künstler „bei der Errichtung und Ausstattung staatlicher oder kommunaler Bauten mehr als bisher, unter besonderer Berücksichtigung der beschäftigunsglosen und in Not geratenen bildenden Künstler, Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten zu schaffen.“ Auch im Dritten Reich wird diese Forderung aufgenommen und umgesetzt. Nach dem zweiten Weltkrieg wird in der 30. Sitzung des Deutschen Bundestages festgelegt: „Um die bildende Kunst zu fördern, wird die Bundesregierung ersucht, bei allen Bauaufträgen des Bundes, soweit Charakter und Rahmen des Einzelbauvorhabens dies rechtfertigen, grundsätzlich einen Betrag von mindestens 1 Prozent der Bauauftragssumme für bildende Künstler vorzusehen.“

Das erste in diesem Rahmen geschaffene Kunstwerk geht aus dem Kunstwettbewerb des Jahres 1953 hervor. Es handelt sich hierbei um das Wandrelief eines Phönix‘, der den Eingang des Alten Abgeordnetenhauses in Bonn schmückt. 1952 bekräftigt, wird eine enge Verknüpfung zwischen Architektur und Kunst in der Bautätigkeit der Bundesrepublik hergestellt und das Projekt erhält unter wirtschaftlichen und ideellen Aspekten Relevanz. In den 1990er Jahren wird eine Richtlinie für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Finanzbauverwaltungen (RBBau) entworfen, der als Abschnitt K7 bezeichnet wird. Dieser wird 2006 als Leitfaden formuliert und regelt seither die Bautätigkeiten in der Bundesrepublik.