Kunst als Mittel zur Leidenschaft

Kunst als Mittel zur Leidenschaft

Alexander Baumgarte in Bielefeld, Kunsthändler, Galerist, Art Consultant, 19. April 2003, Die Welt

Ein Bericht über Alexander Baumgarte, seiner Galerie Samuelis Baumgarte, die Kunstberatung Samuelis Baumgarte – Art Consulting- und die Leidenschaft zur Kunst.

Von Gerhard Charles Rump

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Erblich vorbelastet, könnte man sagen: Alexander Baumgarte, der in Bielefeld geborene Sohn der Künstlerin Ruth Baumgarte, betreibt in seiner Heimatstadt die in den 70er Jahren von der Mutter gegründete und später umfirmierte Galerie Samuelis Baumgarte und das gleichnamige, aber getrennt laufende Art-Consulting-Unternehmen. Er ist einerseits Kunsthändler, weil er mit "gesicherten Werten" handelt, wie etwa dem Werk von Louise Nevelson, Heinz Mack, Ugo Dossi, Fabrizio Plessi und Frank Stella. So einfach ist das mit den "gesicherten Werten" dann aber auch wieder nicht: "Louise Nevelson hat es in Deutschland immer noch schwer. Es ist viel Aufklärungsarbeit zu leisten."

Er ist andererseits aber auch leidenschaftlicher Galerist, weil er sich für junge Künstler einsetzt. Dafür hat er einen "Showroom" ein paar Schritte entfernt in der "Altstadt" der Ostwestfalen-Metropole, die mittlerweile auch eine angesehene Universitätsstadt ist. Im "Showroom zeigt die Fotografin Bärbel Möllmann zuzeit ihre akustisch begleiteten Impressionen aus New York (bis 6. Mai) - oft klassisch komponierte Bilder, die für die Sehnsucht nach bestimmten Orten eine ästhetische Formel finden.

In Bielefeld und in München studierte Alexander Baumgarte Jura und Kunstgeschichte, und er übernahm, gegen elterlichen Plan, 1985 die Galerie. 1988 gründete er die parallel betriebene Kunstberatungsgesellschaft. Er hat in den ersten Jahren viele Künstler nach Bielefeld geholt, die vorher noch nie am Ort gezeigt wurden, und die von sich aus nicht unbedingt in den Teutoburger Wald wollten: Johannes Grützke etwa, und Joseph Beuys. Eine seiner Leidenschaften sind große thematische Ausstellungen, die er immer wieder einrichtet, obwohl sie ziemlichen Mehraufwand bedeuten. So zeigte er "Frauendarstellungen im 20. Jahrundert" oder "Zentrale Positionen bedeutender Deutscher Malerei nach 1945" (WELT v. 4. Mai 2002). Wichtig für Alexander Baumgarte sind "eigene Positionen" in der Kunst, und das medienübergreifend: Malerei, Skulptur, Installation, Fotografie - Hauptsache ist, dass eine individuelle Handschrift, eine klare, eigene Aussage erkennbar ist.

So wie in der aktuellen Ausstellung mit Arbeiten von Fabrizi Plessi. Der Italiener ist ein Meister der Installation. Durch eine genial gesteuerte "Selbstreferenzialität" ("Formentsprechung" könnte man es auch nennen) entgeht er jener Beliebigkeit, die so vieler Installationskunst zu Schaffen macht. Bei Plessi ist das anders. Etwa, wenn er ein Wasserbecken in einem altrömischen Mosaik zeigt. Das Wasser läuft als Videofilm über Monitore, aber nicht "naturalistisch", sondern aufgepixelt in kleine "Mosaiksteinchen". Der "Aha"-Effekt trägt das Erlebnis weit über die schiere Eleganz und Eindruckskraft der Installation hinaus in Erfahrungsfelder, auf denen ästhetisch strukturierte Visionen zu Erkenntnissen über Erkenntnis von Kunst und von Wirklichkeit zusammenwachsen. Von beklemmender Aktualität ist Plessis "Karyatide der Armen": Drei Meter hoch stapeln sich über einem Monitor billige Koffer, verziert mit einer Girlande aus nackten Gühbirnen. Hier hat man Stellung zu beziehen, wie immer vor großer Kunst.

Das andere Standbein von Alexander Baumgarte ist seit 1988 die Kunstberatung. Kunsthistoriker und Unternehmensberater vertreten sein Art Consulting in verschiedenen großen Städten, etw Berlin, Frankfurt am Main, München und Dresden; ein assoziiertes Büro in New York ist mehr kunsthändlerisch tätig. "Es gibt keine intendierten Überschneidungen mit der Tätigkeit der Galerie" sagt Baumgarte. "Wir entwickeln für Unternehmen Kunstkonzeptionen, die sich auf die "Corporate Identity\' und die Architektur beziehen. Diese stehen in jedem Fall im Selbstverständnis der eigenen künstlerischen Qualität der jeweiligen Künstler." Also: Kunstkonzeption, keine Kunst-Dekoration. Hier arbeitet Baumgarte mit Institutionen und Unternehmen zusammen, nicht mit "Privat". Zu seinen Kunden zählen, unter anderem, Telekommunikationsunternehmen, die Hannoversche Lebensversicherung AG, die Dresdner Bank, die Reginaldirektion der Allianz in Leipzig. Und sehr viele mehr

Manchmal ist das Ergebnis seiner Tätigkeit auch für Jedermann zugänglich. So gestaltete Alexander Baumgarte den "Platz der Deutschen Einheit" in Frankfurt am Main, zwischen den Bürohochhäusern "Kastor & Pollux" (Despa und Oppenheim Property Services).

Was wünscht sich Alexander Baumgarte für den Kunstmarkt? "Ich wünsche mir, dass das Bewusstsein von Authentizität und aussergewöhnlichen Qualitäten dem Betrachter wieder deutlicher wird. Der Betrachter soll, in der Flut des kaum noch Konsumierbaren, an der Kunst Leidenschaft entwickeln."

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