Ästhetik und Archäologie in großen Leuchtwänden

Ästhetik und Archäologie in großen Leuchtwänden

Ästhetik und Archäologie in großen Leuchtwänden, 14. Oktober 2006, Die Welt

Der Künstler Stefan Hoderleins hat im Rahmen einer konzeptionellen Kunstberatung von Samuelis Baumgarte –Art Consulting- eine Installation im Foyer des Unternehmens Harting KGaA realisiert.

Von Gerhard Charles Rump

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Er hat zwei große, aber ganz gegensätzliche Lehrer: Nam June Paik und Bernd Becher. Von beiden ist er geprägt worden, aber Stefan Hoderlein, der auch an der St Martin\'s School of Art in London studierte, hat diese Einflüsse zu einer ganz eigenständigen und wichtigen Position in der aktuellen Kunst geformt.

Er setzt sich mit Fotografie jenseits des Dokumentarischen auseinander. Er fotografiert und archiviert, sammelt und ordnet, schafft aus Dias und anderen fotografischen Vorlagen Montagen am Computer, baut Rauminstallationen auf, in denen sich "Hardware" und "Software" zu visuellen Einheiten verbinden.

Schon seine großen Installationen aus Hunderten von Dias, von hinten beleuchtet, erinnern an Kirchenfenster und in ihnen spürt man auch die Aura dieser transzendenten farbigen Diaphanien. Der Unterschied ist - neben dem verwendeten Material - hauptsächlich der, dass ein Glasmaler aus Teilstücken ein großes Bild entstehen lässt, das in aller Regel nicht für sich alleine stehen kann. Bei Hoderlein hat meistens jedes einzelne Teil seinen eigenen Wert, und aus der Kombination vieler solcher Einzelbilder entsteht etwas ganz Anderes, etwas ganz Neues.

Stefan Hoderleins Arbeiten haben einen archäologisch-archivierenden Charakter, und der Betrachter kann sich in vielen der Bild- oder Installationsteile wiedererkennen. Ihnen eignet aber auch oft etwas Serielles und potenziell unendlich Fortsetzbares, so wie der Strom des Lebens ohne erkennbares Ziel und angekündigtes Ende fließt.

Da Stefan Hoderlein auch in der Musikszene aktiv ist - vor allem im Bereich Techno - verwundert es nicht, dass eine stattliche Zahl seiner Werke durchrhythmisiert ist, gleichsam visuelle Musik. Oder sogar von Ton begleitet. Hier berührt er sich zum Beispiel mit E. W. Nay, bei dem das Musikalische auch mit prägend für das Werk war.

Meist bleibt das Werk aber im visuellen Bereich, und er versieht es auch mit aufwendigen, durch komplexe Computerprogramme gesteuerte Beleuchtungsabläufen. Insofern verbindet er das archäologisch-konservatorisch Festgehaltene mit changierenden, sich permanent ändernden Charakteristiken, die in der Kunst das Prinzip des Lebens als Entwicklung und Veränderung manifestieren.

Das Konservierende ist vielleicht ein Erbteil von Becher, das Mediale, Veränderlliche, das von Paik, und es ist geradezu aufregend, dass sich das alles oft mit einer Kirchenfenster-Ästhetik verbindet, die den gesammelten und versammelten, geordneten und komponierten Alltag der Einzelbilder in einer auratischen Anschauung vereint, die über die Zeitlichkeit aller Erscheinungen des Realen hinausweist.

Stefan Hoderleins neuestes Werk (Oktober 2006) ist eine Installation im Foyer des von Mario Botta 2001 gebauten Vertriebsgebäudes der Harting KGaA in Minden. Die Firma ist vor allem einer der Weltmarktführer für Steckverbindungen. Hoderlein hat in zwei meterhohen Tableaus historische und auch von ihm selbst angefertigte Fotos hauptsächlich von Produkten der Firma auf schwarzen und farbigen Hintergründen rhythmisch durchkomponiert. Trotz der Produkte ergibt sich ein Kunst-, kein Werbebild.

Das diaphane Material wird in langsamen Veränderungen in größeren Intervallen farbig hinterleuchtet, wodurch sich eine Reihe spannungsvoller Kontraste ergeben: Einmal innerbildlich (harte Objekte gegen weiches Licht), und zum anderen im Dialog mit der weißwandig-kühlen, aber angenehmen Architektur Mario Bottas.

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